

Volle Auftragsbücher – leere Kassen!
Wie steigende Rohstoffpreise und längere Lieferzeiten die Insolvenzgefahr erhöhen
Aufgrund der sehr guten Konjunkturlage in der Bau- und angrenzender Branchen sowie der hohen Auslastung des produzierenden Gewerbes zogen die Materialpreise schon vor Corona kräftig an. Seit Beginn diesen Jahres setzte sich allerdings parallel eine allgemeine Preisspirale in Gang, wie es sie in den letzten 3 Jahrzenten in diesem Ausmaß nicht gegeben hat. Die durch Corona bedingten Lieferengpässe führten allenthalben zu Materialverknappungen, die derzeit nochmalige Aufschläge zwischen 15% bis 30% auf die bereits gestiegenen Preise nach sich ziehen.
Und damit nicht genug!
Waren wir es bisher gewohnt „heute“ zu bestellen und „morgen“ beliefert zu werden, verlängern sich die Lieferzeiten derzeit in nahezu dramatischer Weise. Material das bisher in 3 – 4 Wochen geliefert wurde, hat jetzt z. T. schon eine Vorlaufzeit von 10 – 12 Wochen. Die Freude über die vollen Auftragsbücher trübte sich dadurch allenthalben erheblich ein. In Anbetracht der dramatischen betriebswirtschaftlichen Auswirkungen, die diese Entwicklung nach sich ziehen wird, ist das jedoch nur ein bitterer Vorgeschmack.
Bei allen Aufträgen, die bereits vorliegen, ist deshalb sofort und jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob und ggf. welche Auswirkungen die aktuellen Preissteigerungen auf die Rohmargen haben werden. Je höher der Auftragswert und das Auftragsvolumen sind und je länger die dafür erforderliche Ausführungszeit geplant ist, desto schneller ist die Prüfung durchzuführen.
Laufende Preiserhöhungen sind oftmals nicht in den abgeschlossenen Aufträgen vertraglich eingeplant und können somit auch nicht an den Auftraggeber/ Endkunden weiter gegeben werden. Da die kalkulierten Rohmargen nicht mehr erreicht werden, wird es bei größeren Aufträgen zu erheblichen Gewinneinbrüchen, respektive Verlusten kommen. Bei nach Bauabschnitten geplanten größeren Aufträgen, zu denen Teilrechnungen geschrieben werden, kommt die Erkenntnis eines defizitären Auftrages oft erst nach Fertigstellung des Auftrages mit Stellung der Schlussrechnung. Diese fällt dann erheblich niedriger aus, als erwartet. Die Liquidität allerdings sinkt durch die höheren Materialpreise schon im Auftragsverlauf erheblich ab.
Sind mehrere größere Aufträge oder auch eine Vielzahl kleinerer Aufträge nach gleichem Muster kalkuliert, kann das schnell existenzgefährdenden Charakter annehmen. Dann sind zur Stützung der Liquidität z. B. Einlagen vorzunehmen oder vorhandene Kreditlinien zu erweitern, denen schwierige Bankengespräche vorweg gehen. Weiterhin müssen Sie mit einem weitaus ungünstigeren Ranking und steigenden Sollzinsen bei ihrer Bank rechnen, was Ihre Wettbewerbsfähigkeit nochmals verschlechtert.
Was jetzt in Ihrer Verantwortung liegt!
Nach Prüfung der Rohmargen, bei noch auszuführenden oder fertig zu stellenden Aufträgen, sind mit den Kunden Gespräche zu führen, dass bereits angenommene Aufträge zu den abgeschlossenen Konditionen nicht aus- oder weiter geführt werden können. Nehmen Sie diesbezüglich auch rechtliche Hilfestellung in Anspruch, um die Ihnen verbleibenden Möglichkeiten zu prüfen! Ein Ausstieg aus Aufträgen, mit sich negativ entwickelnden Rohmargen wird schwierig werden, im Einzelfall vielleicht sogar unmöglich. In meinen aktuellen Beratungen haben Firmen ihren Auftraggebern diesbezüglich z. T. hohe 5-stellige Summen angeboten, um abgeschlossene Aufträge mit hohem Verlustpotential nicht mehr ausführen zu müssen.
Unterlassen Sie diesen Schritt, kommen Sie Ihrer Verpflichtung als Geschäftsführer nicht nach und schlittern „sehenden Auges“ in insolvenzrechtliche Tatbestände, die Sie auch persönlich betreffen können! Selbst wenn es nicht so dramatisch kommt, wie wollen Sie Ihrer Bank erklären, dass Sie mehr Geld aufgrund der vorher beschriebenen Situation benötigen, ohne geprüft zu haben, welche Höhe und Dauer diese „Zwischenfinanzierung“ annehmen kann. Weiterhin ist von Ihnen plausibel zu erklären, was Sie an Gegenmaßnahmen bereits unternommen haben, um nicht in Kürze weiteren Liquiditätsbedarf anmelden zu müssen.
Und noch etwas ist in Bezug auf die Geschäftsentwicklung in diesem Jahr zu beachten. Aufträge, die Ende September/ Anfang Oktober herein kommen, werden in diesem Jahr nicht mehr ausgeführt werden können, da die Liefersituation sich weiterhin verschärfen wird. Gehen Sie also davon aus, dass es wirtschaftlich trotz bester Auftragslage zu massiven Umsatz- und Gewinneinbrüchen sowie Kurzarbeit kommen wird!
Nach der Auftragsprüfung und vor evtl. Bankgesprächen müssen Sie als Geschäftsführer (egal ob von einem mittelständischen Unternehmen, eines Fachhändlers oder Handwerksbetriebs!) eine detailierte Hochrechnung anstellen, wie sich Ihre Firma unter den geänderten Prämissen im 2-ten Halbjahr 2021 und im Folgejahr 2022 entwickeln wird. Die Prognosen, aus den bisher von mir für viele Firmen durchgeführten Berechnungen, sehen düster aus. Stellen Sie sich auf stark schrumpfende oder sogar negative Betriebsnisse für das 4-te Quartal 2021 und das 1-ste Quartal 2022 ein.
Was ist im Bereich der Angebotserstellung noch zu tun, um weitere Folgen abzumildern?
- Verkürzen Sie die Laufzeit/ die Gültigkeitsdauer Ihrer Angebote! Je nach Lage und Erwartung von Materialpreissteigerungen bspw. auf 2 – 4 Wochen
- Nennen Sie im Subtext ein konkretes Datum, bis wann das einzelne Angebot Gültigkeit haben soll Erteilt der Kunden nach Ablauf der Laufzeit den Auftrag, können Sie immer noch entscheiden, ob Sie den Auftrag annehmen wollen
- Fügen Sie sogenannte Freizeichnungsklauseln ein (Beispielsweise: Preiserhöhungen beim Materialeinsatz vorbehalten)
- Prüfen Sie weiterhin, in wie fern Sie Ihre AGB’s anpassen müssen, um entsprechende Nachträge oder Preiserhöhungen nachträglich weiter berechnen zu können
Als Inhaber, Geschäftsführer oder als leitender Angestellter in verantwortlicher Position wird sich in Ihnen jetzt vielleicht großes Unbehagen oder vielleicht sogar Zorn regen, weil Sie so noch nie gearbeitet haben oder Sie ihr Geschäft so auch nicht führen wollen.
Sie werden es müssen, wenn Sie ihre Firma durch diese Zeit mit möglichst geringen negativen Folgen bringen wollen!